In Vilmnitz auf Rügen gibt es eine wunderschöne alte Kirche, St. Maria Magdalena. Auf ihrem Friedhof befindet sich ein Grabmal im Jugendstil. Nur selten sah ich die Trauer so beschrieben. Agnes Rink durfte nicht lange leben. Ich denke, ihr Mann muß sie sehr geliebt haben. Nicht einmal der Reichtum eines sicher teuren Grabmals kann die Trauer hier verdrängen.
Immer, wenn ich Rügen besuche, verweile ich einige Minuten bei ihr und tauche schweigend ab in ihre Zeit.
Ich werde mir unserer Endlichkeit bewußt, gleichsam aber auch der Dankbarkeit für mein bescheidenes, aber glückliches Leben, denn auch ich werde geliebt; doch ich kann es erleben.
Trauer und Hoffnung
Wie lange werden wir Agnes Rink noch finden? Jedes Jahr, wenn ich wiederkehre ist das Grabmal ein wenig mehr zerstört. Horden von Touristen wälzen sich durch Kirche und Friedhof und nichts wird verschont vor ihren rohen Füßen. Schon ist die Umfassung des Grabes zerstört, steinerne Pfähle schiefgetreten, auf dem Grab das Papier von Pausensnacks und anderer Zeugnisse unserer globalisierten Zeit.
Niemanden gibt es, den dieses Schicksal anginge. Kein Staat, keine Gemeinde, keine Firma, keine Privatperson. Und wer weiß, was aus den Nachfahren wurde. Noch steht das Grabmal, wohl aber nicht mehr lange.
Vielleicht gibt es andere, die ebenso, wie ich, dieses Grabmal von Agnes Rink als kulturelles Erbe einer längst versunkenen Zeit begreifen und bereit sind, vielleicht eine Stiftung zu gründen für
die Restauration und Erhaltung dieser traurig-wunderbaren Form der Vergegenständlichung des Jugendstils.
Spätsommer 2004