Früher Mond

Mond versinkt im Teich
Mond versinkt im Teich

Früher Mond

 

Hast du heut früh den Vollmond auch gesehn?

Er war so warmgelb und so traurig schön

Ich hab die ganze Zeit an dich gedacht

Und er hat mich leis’ nur ausgelacht

 

"Wie töricht doch die Menschen sind"

Sprach er im blauen Spätnachtwind

"Sonst sehn sie nicht der Menschen Nöte

Doch hier erschaudern sie,

noch vor der Morgenröte"

 

Kennst du sein traurig Lächeln
und sein Mund scheint uns zu rufen:
„Verlaß’ die Trübnis, komm Silberstraßen zu besuchen

Mach’ auf den Weg dich, ich hab’ dir ein Seil gespannt

aus tausend Träumen, Bildern, die du vorher nie gekannt

 

Ich will dir zeigen, wo man Träumen Leben eingehaucht

wo man dein Schicksal in das Bad des Glücks getaucht

wo alle Menschen mit dem Andern Bruder sind

egal, ob arm, ob reich, ob alt, ob Kind“

 

Er lag sehr tief jetzt, und er sank und sank

ins Jenseits - und ich ward vor Sehnsucht krank

wohin wohl geht er und ich wollt ihm heimlich folgen

doch mußt ich meinen frühen Weg zur Pflicht befolgen

 

Ein letzter goldner Kegel in einem spiegelglatten Teiche

fast ungebrochen mir zur späten Freud an Nacht gereichte

so lernt ich neue Farben zu verehren

und ließ auch MICH vom Vollmond nun bekehren

 

Durch dünne Pappelkronen hab ich
seinen letzten Schein gesehn

Am andern Ufer wollte schon der Tag aufstehn

Es war ein Violett mit einem frühen, kalten Rot

Mein Mond, verschwunden,
starb grad' seinen stummen Tod...


© Ole Pauperkotte, Februar 2003,
auf der Fahrt zur Arbeit, Berliner Ring, Nähe Kreuz Schwanebeck