Ich bin unterwegs gewesen und hab immer gefragt und auch gesucht, ob jemand auf mich wartet, nach diesem furchtbaren frühen Morgen – an Weihnachten 2003, von dem kaum jemand weiß...
Heiligabend
... es ist der heilige Abend, 17:30 Uhr. Die Weihnacht will beginnen. Durch die engen Häuserecken weht ein scharfer Wind. Die Wenigen, die jetzt noch unterwegs sind, haben den Kragen hochgeschlagen und den Hut tief ins Gesicht gezogen. Ihre Schritte sind groß und eilig. Ein letzter Weihnachtsbaum wird umständlich in einen Hausflur gezwängt, der Mann strahlt ein hohes Maß an Ungeschicklichkeit aus, er muß Beamter sein. Die Häuserfassaden und ihre Fenster sind reich, ja schon übermäßig illuminiert – von allem zuviel, wie so oft in dieser Zeit - und es legt sich eine beschwerliche Stille über das Wohnquartier.
Die Straße ist nun vollständig zugeparkt und an den Dächern der Autos sieht man, wer heute den ganzen Tag zu Hause war, wie immer sind es die sogenannten Leistungsträger der Society, die an diesem Tage nicht zur Arbeit müssen. Leichter Reif hat sich nun auf die Autos jener gelegt, die noch arbeiten waren, die der „Fleißigen“ hingegen von der letzten Nacht zugeschneit. Immerhin sind jetzt minus neun Grad. Einige letzte Familien kommen noch hastig mit viel zu schweren Taschen vorbeigelaufen, allen ist jetzt gemein: schnell in die wohlige Wärme retten. Ja, sie suchen die Wärme des Raumes, vielleicht aber mehr noch die der Angehörigen.
.... Langsam, fast tastend fährt ein dunkelblauer Astra in die schmale Straße ein. Noch ist er nicht angekommen, nur greifbar nah scheint es nun. Es scheint, als hätten Auto UND Fahrer eine gewisse Furcht, die Reise zu beenden. Männer tun nur mutig und Astras sind ja nur ihre blinden Erfüllungsgehilfen. Das Auto kommt zum Stehen, rückwärts parkt es ein, aber das Licht geht nicht aus. Will es im letzten Moment wieder umkehren? Ach, wie lang können Sekunden werden. Der Mann im Auto sucht verzweifelt nach einer Silhouette hinter den Gardinen der Häuserfront, ein bewegtes Zeichen, daß ihm signalisiert, hier ist dein Ziel, komm, zaudere nicht, ich warte doch. Denn immer ist es das Gegenseitige, man braucht doch so die Resonanz des Anderen. Da, hinter der Gardine, ein leichtes Huschen, jetzt wird sie beiseite gezogen und es erscheinen die Umrisse einer Frau, sie öffnet das Fenster, sie lächelt ihm sacht zu und wirft den Schlüssel auf die Straße, symbolisch nur, denn im gleichen Moment drückt sie auf dem Summer. Ein hoffnungsvolles Strahlen zieht in ihr Gesicht.
Das Licht im Astra kann jetzt erlöschen, symbolisch gleichsam und auf der Straße kehrt wieder auch die lichterne Ruhe ein. Der Mann lächelt nach oben, hebt den Schlüssel auf und betritt das Haus....
... Neben dem Kamin sitzen auf dem Fußboden zwei junggebliebene Menschenkinder, Schulter an Schulter, eng aneinander, vor ihnen auf dem Fußboden stehen zwei Gläser mit Rotwein, halbvoll nur noch. Sie schauen sich ab und zu in die Augen und lächeln sich glückselig an. Zu sagen brauchen sie nicht viel. Auf diesen Abend haben sie beide so lange gewartet...
Ein schönes Weihnachtsfest und ein paar besinnliche Stunden... Denke vielleicht daran: Weihnachten ist das Fest der Hoffnung. Hinter den Lichtern meines Tannenbäumchens werde ich das Jahr vorüberziehen sehen - und du gehörst dazu...
24.12.2003 © Ole Pauperkotte
für Nani aus Kiel