Es sind die alten Bahnhöfe. Man konnte mit der Eisenbahn auch den kleinsten
Ort erreichen, wie idyllisch aus heutiger Sicht. So stehe ich auf dem Bahnhof in Parey/Elbe
und will nach Mahlwinkel, wo ich seinerzeit aussteigen musste, im Gleichschritt nach
Bertingen zu marschieren, in ein studentisches Militärlager, an alten, stillgelegten
Elbarmen gelegen. Zauberhafte Landschaft kontrastiert mit preußisch-sozialistischem Drill
Ich beame mich auf solch Bahnhof, die Liebe meiner frühen Jugend wiederzutreffen.
Träumerei – lass mich nicht so schnell los…
... vielleicht ist es ist der Blues der letzten unerfüllten Sehnsucht, der uns umtreibt, der Blues von Liebe und Zorn, vom Kommen und schon baldigen Gehen, nur klein sind unsere Inseln, von der Leidenschaft und den verpassten Gelegenheiten, von Hoffnung und Enttäuschung, von Entbehrung und Dulden, von Freude und Desillusionierung, von Hingabe und Empörung...
Eine kleine, einfache Melodie kreißt in uns, schlicht in ihrem Notenwerk, aber doch in einer unendlich kraftvollen Expression und sie lässt uns einfach nicht mehr los.
Es ist die Stimmung, die uns bindet, das blakende Licht einer schon sehr heiseren, alten E-Gitarre, die von dort hinten links daherkommt, mit ihrem Vibrato in einer schauderhaften Traurigkeit, der einsetzende Bass aus tiefstem Grund, sanft gleitend auf den hohen Tönen, die unsere Seele ins Schlingern bringen, der folgsame Gleichmut der Drums, immer wieder durchbrochen durch Attacken scheinbar zornigen Widerstands…
Eine 40-Gaulloise-am-Tag-Stimme setzt ein, sie erzählt von dem Zug, der sich vom Weiten der Station nähert, einer Station, zu der keine Stadt mehr gehört und meine Gitarre lässt den Atem der Lokomotive riechen.
In dem Zug soll die Liebe meiner jungen Jahre sitzen, fünfunddreißig Jahre hab ich sie nicht mehr gesehen und ich weiß nicht einmal, ob er hier halten wird.
Ihr Gesicht hab ich noch in mir, eines, wie das der Brecht'chen Marie A., und die Pflaumenbäume, wo wir uns so oft getroffen, sie sind bestimmt längst abgehauen. Nur die Wolke von damals noch am Himmel, aus der ihr Gesicht so verschmitzt lacht, wie in den Tagen des Mai, sie wird wohl immer wiederkommen.
So entsteht ein Schwingen in uns, dem wir uns nicht verweigern können. Und immer, wenn dieser Blues anhebt, dann stehe ich wieder auf der Brigde of Sighs* und schaue in die tiefen Abgründe regellos-turbulenten Wassers. Alle Zufälle und Willfährigkeiten meines Lebens scheinen sich dort zusammenzufinden, Zerrspiegel der eigenen Biographie.
Ach, ich liebe meinen Bruder Blues.
Es ist noch eine Mundharmonika, welche nach schön gezeichneten Lippen und Atem mit Inhalt ruft, frei...
© Ole Pauperkotte / 7.3.2008
* Die Brücke meiner Sehnsüchte, ein wunderschöner Blues von Robin Trower - schau mal rein, soooo schön!!! Und wenn du weiter recherchierst, dann findest du auch schöne live-clips