Abschied heißt doch auch weiter geh’n...

Tränen hat die Trauer

aber auch das Glück

Wandersmann, komm gut an

doch geh nie zurück…

Das Sprechen der Tulpen

... es ist mild geworden. Ein angenehm lauer Wind weht über den Garten und auch warmer, zum Teil heftiger Regen hat nun schon fast ganz und gar den Schnee schmelzen lassen. Nur noch zwei kleine weiße Flecken künden von dem langen Winter, doch werden auch sie morgen bestimmt verschwunden sein. Der Winter nimmt Abschied. Schon vorwitzig und in kindlichem Übermut tanzt der erste kleine Mückenschwarm über dem Rasen, stufenloser Übergang.

 

Überall stecken die Frühblüher nun ihre Köpfe aus der Erde, als wollten sie uns sagen: "... heee, nun will ich aber langsam raus, meine Schönheit zu zeigen, euch zur Freude - und wo überhaupt ist die schöne Laura Sargasso, die mit dem freundlichen Gesicht einer Sonnenblume, die uns doch in jedem Frühjahr so ganz persönlich gestreichelt und unsere Sprache verstand???"... Dann werde ich ihnen sagen: "Tja, ihr Lieben, sie ist nicht da, ist ausgeflogen, in eine fremde große Stadt, die viele Fenster und Augen und lange Nächte hat, ein neues Glück zu suchen und ich kann euch gar nicht sagen, ob sie wiederkehrt, bis ihr alle verblüht seid, dann in der Mittagshitze des Mai..."...

 

Da haben sie sich enttäuscht zurückgezogen, wie sollen sie blühen, ohne ein persönliches Wort und ein liebes Streicheln, so schöne Erfahrung in jedem frühen Jahr? Eine Tulpe sagte noch, "... ach wenn sie wenigstens einmal käme, mir wieder die schöne Geschichte von Martona Fiorasola zu erzählen, die nach Cortona fuhr, die Riesen zu besiegen"...

 

"Wer weiß, wer weiß", habe ich gesagt, "viele Geschichten hat das Land und immer wieder erleben wir eine neue. Nicht jede ist so schön wie jene, doch mußt du vorwärts schauen und sollst nicht verharren in dem Alten! In jedem Anfang liegt ein Zauber. Freu dich nun auf den neuen Frühling und vielleicht findet sich ein anderes Gesicht, welches mit dir sprechen wird und vielleicht spricht sie ja nun auch mit anderen Blumen, dort in der fremden Stadt. Sei jedenfalls nicht traurig, es muß das Herz bei jedem Lebensrufe bereit zum Abschied sein und Neubeginn, um sich in Tapferkeit und ohne Trauern, in andre, neue Bindungen zu begeben..."... Ich glaube, in dem Moment hatte mich die kleine, noch so junge Tulpe verstanden.

 

Ja, so lebt jeder Halm des Gartens, jeder Löffel in seinem Fach, jede Tasse im Regal, jedes Bild an der Wand - IHR Leben auch, und die Objekte meines Lebens sprechen mit mir - mit IHRER Stimme...

 

27.03.2006 © Ole Pauperkotte