Vor einem Jahr noch haben wir sie gesehen, so vital, so voller Gedanken, sie erzählte von den Verhältnissen ihrer Kindheit, in Buckow war es, in dem Brecht‘schen Haus, es war der Spätsommer und wir standen auf der Veranda, innen war es überfüllt, so viele Liebhaber, aus einer ganz anderen Zeit, alle die sie liebten, ihre Geschichten, ihre Art, sie zu erzählen, ihre Stimme, die sie so ganz anders artikulierte, zu einer ganz eigenen Kunstform entwickelnd.
Und ich erinnere mich heute an die wundervollen Erlebnisse, da ich sie im Theater erleben konnte, so ganz anders, als in „sets getaketen cuts“.
Immer hatte sie den guten Brecht in sich und ging auch in Nebengelasse, mit Strittmatter, auch als Mörderin, die die Nebenbuhlerin des Schwiegersohns abschlachtete, um die Ehe ihrer Tochter zu retten, wie naiv, doch hat sie es so überzeugend gespielt. Sie konnte es: Frauen aus dem Volk spielen. Wir danken dir!
Welch Unterschied zu den peinlichen Rollen der Actressen des bürgerlichen deutschen Fernsehens in ZDF und ARD, von den Privatsendern ganz zu schweigen.
Und dann habe ich sie 1990 bei einer Demo gegen diese unsägliche Treuhandgesellschaft erlebt. Da hat sie mit Walfriede Schmidt gegen die Machenschaften dieser Maffiaorganisation polemisiert. Natürlich ohne praktische Wirkung, denn wer hätte damals auf solche Stimmen gehört. Ich erinnere mich an ihre Begriffsbildung „Untreuhand“ – Untreue, im Geschäftsleben ein unwiederbringlicher Fauxpas. Heute wissen wir um die unsägliche Funktion dieser Institution. Was können Künstler gegen Oligarchen anrichten? Nun hatten sie ab 1990 die Freiheit, ihr Credo auszusprechen, aber was nützt es?
So geh nur, du wolltest (oder musstest) uns verlassen, du lebst so lange, bis wir dich vergessen.
Aber, das werden wir nicht tun. Du bleibst in unserer Erinnerung. So lange WIR leben. Und wollen wir hoffen, dass wir deine Filme immer wieder sehen können. Mach’s gut, wo immer du ankommen wirst. Am besten beim BB… Und bei Helene
Und nun noch ein Gedicht, welches du immer mochtest
Lob der Dialektik
Das Unrecht geht heute einher mit sicherem Schritt.
Die Unterdrücker richten sich ein auf zehntausend Jahre.
Die Gewalt versichert: So, wie es ist, bleibt es.
Keine Stimme ertönt außer der Stimme der Herrschenden.
Und auf den Märkten sagt die Ausbeutung laut:
Jetzt beginne ich erst.
Aber von den Unterdrückten sagen viele jetzt:
Was wir wollen, geht niemals.
Wer noch lebt, sage nicht: niemals!
Das Sichere ist nicht sicher.
So, wie es ist, bleibt es nicht.
Wenn die Herrschenden gesprochen haben,
Werden die Beherrschten sprechen.
Wer wagt zu sagen: niemals?
An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns.
An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird?
Ebenfalls an uns.
Wer niedergeschlagen wird, der erhebe sich!
Wer verloren ist, kämpfe!
Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?
Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen,
Und aus Niemals wird: Heute noch!
Bertolt Brecht